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GSI – Gesellschaft für Schweißtechnik international mbH
SLV – Schweißtechnische Lehr- und Versuchsanstalten
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Metallographie archäologisch

Tordierter Halsring, sog. Wendelring aus Halle (Inv.-Nr. HK 6615)

Rekristallisiertes Gefüge des Wendelringes aus Halle mit Gleitlinien, Glühzwillingen und verformten Sulfideinschlüssen, Hellfeld, geätzt mit FeCl3

Die wissenschaftliche Metallographie wurde um 1870 durch H. C. Sorby in England und A. Martens in Deutschland begründet, nachdem bereits 1810 A. v. Widmannstätten an geschliffenem, poliertem und geätzten Meteoreisen grobe plattenförmige Strukturen nachweisen konnte. Sorby und Martens stellten erstmalig metallographische Anschliffe her und fotografierten bei höheren Vergrößerungen die Gefügestruktur von Eisenwerkstoffen. Seither hat die Metallographie große Bedeutung in der Werkstofftechnik erlangt.

Auch in der SLV Halle GmbH werden seit den 1940iger Jahren metallographische Untersuchungen an metallischen Werkstoffen, insbesondere an Stählen, aber auch an Gusseisen-, Aluminium-, Kupfer- und Nickellegierungen durchgeführt. Schwerpunkt der Arbeiten sind natürlich Konstruktionswerkstoffe für den Stahl-, Brücken- und Anlagenbau.

Metallographische Gefügeanalysen sind aber nicht nur für die technischen und werkstoffkundlichen Bereiche interessant, auch andere Wissenschaftsbereiche nutzen den Erkenntnisgewinn, der durch Gefügeuntersuchungen möglich ist. So wurden vor einiger Zeit durch den Archäometer Daniel Berger vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie, Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle an der SLV Halle GmbH Untersuchungen zur Herstellungstechnik archäologischer Metallartefakte durchgeführt.

Die Studien im Vorfeld der aktuellen Dauerausstellung im Landesmuseum konzentrieren sich vordergründig auf so genannte Wendelringe, die in der frühen Eisenzeit (800–450 v. Chr.) als Halsschmuck getragen wurden (Abb. 1). Unsicher ist man sich bei diesen, aus Zinnbronze gefertigten Objekten darüber, ob sie durch Gießen in der endgültigen Form oder durch Kaltumformung (Torsion) entstanden sind. Hier kann gerade die metallographische Untersuchung des Gefüges wichtige und zudem eindeutige Hinweise liefern. Zu diesem Zweck wurden von mehreren (bereits schadhaften) Wendelringen Proben genommen, diese metallographisch präpariert und anschließend die Gefügeausbildung sowie Veränderungen durch Korrosions- und Alterungsprozesse analysiert. Abb. 2 zeigt beispielhaft den Oberflächenbereich an einem Wendelring aus Halle im geätzten Zustand. Deutlich ist die starke inter- und transkristalline Korrosion zu erkennen, die auch Gleitlinien angegriffen hat. Zudem sieht man rekristallisierte ?-Mischkristalle mit Zwillingen und parallel zur Oberfläche orientierte Einschlüsse aus Kupfersulfid. Damit weist der gesamte Gefügezustand eindeutig auf eine starke mechanische Bearbeitung mit mehreren Umform-Glüh-Wechseln hin. Der Ring wurde demnach nicht in seinem Endzustand gegossen. Vielmehr ist eine Herstellung aus einem stabartigen Rohling anzunehmen.

Eine Vielzahl von Wendelringen wurde auf dieselbe Art und Weise hergestellt, was hochentwickelte handwerkliche Fähigkeiten und Gerätschaften vor knapp 3000 Jahren voraussetzt. Die hier vorgestellte metallographische Untersuchung gibt nur einen kleinen Einblick in die Geschichte der Artefakte. Sie sind für die sonst nur mit den „normalen“ Werkstoffen befassten Werkstofftechniker in der SLV Halle GmbH allemal interessant, weil sie viel über die umfangreichen fertigungstechnischen Kenntnisse unserer Vorfahren bei der Be- und Verarbeitung des Werkstoffs Metall aussagen.

 

Dr. Daniel Berger, Curt-Engelhorn Zentrum Archäometrie, Mannheim

Dr. Annette Pinkernelle, SLV Halle GmbH


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